Andacht am 18.02.2010, Pfarrerin Vogt

Man kommt ja mit vielen hier ins Gespräch… auch mit Menschen, die sonst nicht oft in eine Kirche gehen.
Am Sonntag, also an unserem ersten Vesperkirchen-Tag, sagte eine Frau zu mir: „Toll, dass sie die Vesperkirche machen, dass dieses herrliche Gebäude so offen ist und von vielen besucht und genützt wird. Da haben die Kirchengebäude wenigstens auch mal einen Sinn.“

Sie können vielleicht verstehen, dass ich als Pfarrerin der Friedenskirche  innerlich auch etwas zusammengezuckt bin und mich ernsthaft gefragt habe: „Hat unsere Kirche, unser schönes Kirchengebäude nur Sinn, wenn wir hier Vesperkirche machen und viele hier für ein paar Stunden Wärme, Freundlichkeit und etwas auf den Teller bekommen?“
Im Gemeindepfarrdienst höre ich es immer wieder von ganz unterschiedlichen Menschen:
“Wissen Sie, Frau Pfarrer,  ich hab das nicht nötig, immer in die Kirche zu gehen und meinen Glauben herzuzeigen. Ich kann auch zu Hause glauben und beten."

Und ich finde, diese Menschen haben recht. Man muss zum Beten nicht in die Kirche gehen. Jeder kann beten, wo und wann er will. Und Gott macht sicher keinen Unterschied zwischen Gebeten, die in der Kirche und Gebeten, die anderswo gesprochen werden.

Bloß, Hand aufs Herz: Wer betet denn wirklich zu Hause?
Mal bin ich zu müde. Mal bin ich zu aufgedreht, mal klingelt das Telefon. Oft kommt was dazwischen und manchmal macht mich das Leben einfach sprachlos, dann fällt mir nicht einmal mehr etwas ein, was ich beten könnte.  
Und mit der Zeit gerät es dann in Vergessenheit, das Beten. Man wird ungeübt und irgendwann kommt einem der Gedanke ganz komisch vor: Beten? Das ist doch höchstens was für Kinder und alte Frauen.

Ich meine, das ist mit dem Glauben überhaupt so: wenn man da immer nur mit sich allein bleibt, dann verflüchtigt er sich irgendwann, wird farblos und unscharf. Ganz unmerklich geht er verloren und man merkt es nicht einmal.
Wie wenn man einen Regenschirm hat stehen lassen. Bei Sonnenscheinwetter bemerkt man das gar nicht, aber dann, wenn es draußen tröpfelt oder gar in Strömen regnet, wenn man nass wird, dann fehlt er auf einmal und man ist ganz überrascht. Wo ist er denn bloß hingekommen, wo hab ich ihn denn stehen lassen und vergessen? Wie konnte denn das passieren?

Ich glaube deshalb, man braucht einen Raum, in dem das Glauben und das Beten selbstverständlich sind.
Kirchen, in denen man sich nicht komisch vorkommt beim Beten, weil es alle machen. Einen Raum, in dem man Worte zur Verfügung gestellt bekommt zum Beten, wenn es einem die Sprache verschlagen hat. Der Glaube braucht ein Haus.

Und  deshalb lade ich Sie ein, wenn Sie heute in der Kirche sind, nehmen Sie sich doch auch ein paar Augenblicke Zeit für Ihren Glauben. Nehmen Sie sich die Zeit, um hier zu sitzen, zünden Sie eine Kerze an, und lassen Sie Ihre Worte, auch wenn sie nur gestammelt sind, zu Gott aufsteigen, tun sie Ihrer Seele etwas Gutes.
Sie wissen ja, die Vesperkirche steht unter dem Motto:
„Miteinander für Leib und Seele“.