Andacht am 25.02.2010, Petra Wanke

Liebe Gäste der Vesperkirche, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

Geht es Ihnen auch wie mir? Also wenn es mal Februar ist, dann reicht es mir mit Kälte, Schnee und Eis und diesen verdreckten Strassen!

Also mir reicht es allmählich, nicht mit meiner Arbeit, sondern wie gesagt mit dem Winter, auch wenn heute ein recht freundlicher Tag ist. Gestern Abend habe ich mir eine Musik von Konstantin Wecker aufgelegt. Vielleicht kennen Sie ihn, diesen Künstler mit schon unzähligen Brüchen in seinem Leben. Womöglich sind seine Lieder deshalb so echt und ehrlich. Bei meiner Antiwinterstimmung hat mir ein Sommerlied natürlich ganz besonders aus dem Herzen gesprochen: „Einfach wieder schlendern, über Wolken gehn, und im totgesagten Park am Flussufer stehn.“ Ich freu mich so sehr darauf, dass drüben auf der Bärenwiese wieder ein zartes Grün an den Bäumen erwacht und die ersten Blumen zaghaft aus der wärmer werdenden Erde schauen. Im Winter hat man ja oft den Eindruck, als sei alles abgestorben, kein Leben mehr, keine Zukunft. Nur noch kalt und grau. Totgesagter Park. Aber ich glaube, auch so eine Zeit hat ihren Sinn. Und wenn es nur der ist, wieder sehnsüchtig auf zurückkehrendes Leben zu warten. Und es kehrt zurück. Freilich nicht immer so, wie wir das erwarten. In jedem Winter stirbt etwas ab, das nicht wieder kommt. Aber ist Leben nur dann sinnvoll und schön, wenn sich alles erfüllt, alles perfekt ist und sich stets eins aufs andere türmt? Ich wollte nicht nur im Sommer leben – nicht immer nur im Hellen und Ungetrübten. Ist es nicht auch schön, auf irgendwelche Veränderungen zu hoffen, sich darauf zu freuen, denn Vorfreude – so hat es mal einer gesagt – ist die schönste Form der Freude. Und auch ein augenblicklich verletztes, gestörtes Leben ist noch immer Grund zum Singen und zum Staunen darüber, dass ich überhaupt lebe.

Darum heißt es auch im Lied von Konstantin Wecker: „Das Glück ist flüchtig, kaum zu fassen, es ist gut sich sein zu lassen.“ Vielleicht gehört das zu unserer größten und zugleich schwierigsten Aufgabe: nicht den verschiedensten Formen angepriesenen und flüchtigen Glücks nachzujagen, dem Erfolg und Ansehen, der Macht und Sicherheit, sondern sich selbst so gelten zu lassen, wie ich bin – mit all dem, was zu mir gehört an Gelungenem und Gescheitertem, mit dem, was ich gerne vorzeige oder auch am liebsten verbergen würde. Manchmal – wie z. B. gestern Abend, als ich das Lied hörte – habe ich den Mut und die Freiheit, mir selbst zu sagen: „Wenn ich eine Andere hätte sein sollen, dann hätte mich unser Schöpfer eben anders machen müssen.“ Und so gebe ich Gott seine Schöpferehre und mir das Recht, zu sein wie und wer ich bin. Es ist ein Stück meines Friedens mit mir, wenn ich fühle und denke: „Es ist gut, dass ich bin; und es ist - trotz allem - gut, wie es im Augenblick ist.“ Nur so werde oder bleibe ich offen für die unerwarteten Geschenke des Lebens, die dann alles, womöglich noch mich selbst, verändern können. Ich wünsche Ihnen die Begegnung mit dem, was Sie nicht erwarten. Ich wünsche Ihnen das, was Sie heute glücklich macht.

 

Petra Wanke
Vorsitzende der Mitarbeitendenvertretung Kirchenbezirk Ludwigsburg