Andacht am 01.03.2011, Pfarrer Martin Kreuser

Liebe Besucherinnen und Besucher der Vesperkirche,

unsere Tochter Verena absolviert zur Zeit ein diakonisches Jahr im Ausland. Sie lebt und arbeitet in einer Art Diakonischer Bezirksstelle mitten im Stadtzentrum von Amsterdam. Sie ist da tätig in einer Wärmestube, in der Begleitung von Flüchtlingen und sie besucht Insassen in Haftanstalten.
Manche ihrer Klienten trifft sie, die unternehmungslustige 20jährige, auch in ihrer Freizeit wieder - wenn sie ausgeht, abends oder nachts auf den Strassen und entlang der Grachten. Einer ihrer „guten Bekannten“, der ohne festen Wohnsitz ist, hat sie im Dezember kurz vor der Abreise in den Weihnachtsurlaub früh am Morgen noch abgepasst und ihr eine Karte – für ihre Eltern! – mitgegeben, und darauf steht:
“Prettige Kerstdagen en Gelukkig Nieuwjaar!“
Und innen drin steht:
Ihr habt eine nette Tochter. Sei ist gut aufgewachsen und sie ist auch ein guter Mensch. DANKE für dieses Geschenk. Und ich wünsche der ganzen Familie für 2011 viel Glück und Liebe. Dein Ehlftari.

Die Karte hat uns nicht nur angerührt wegen der Komplimente über unsere Tochter, sondern mehr noch, weil daraus eine Haltung spürbar ist, die in unserem Kulturkreis nur selten anzutreffen ist: dass man dem Guten nachgeht und eine Kette aufmacht, wo’s denn nur her kommt.
Wir sind es eher gewohnt, Dinge, die an uns kommen, wie selbstverständlich zu nehmen und einzusacken.
+ Mein Lebensunterhalt – den zu kriegen ist mein Recht.
+ Aufmerksamkeit? – steht mir zu!
+ Dass Du mir hilfst – ist Dein Job und dafür wirst Du bezahlt!
+ Dass Du was für mich tust - … ich hab Dir ja auch schon mal geholfen!

Ganz anders Ehlftari:
Nett, dass diese junge Frau aus Deutschland mit für mich da ist.
Wie schön, dass es sie gibt!
Gut, dass sie behütet hat aufwachsen können.
Wie wunderbar, dass es Vater und Mutter gibt!
Wie großartig, dass es den Vater aller Barmherzigkeit und die Mutter aller Güte gibt.

Wie wäre es, wenn wir öfters solche Ketten der Dankbarkeit aufmachen würden?
* Danke für die Vesperkirche. Danke für die Friedenskirche. Danke, dass aus diesem klobigen Soldatenschuppen ein doch recht brauchbares Gotteshaus geworden ist. Danke für den Frieden in unserem Land. Danke, Gott, dass Du uns schon 66 Jahre lang vor Krieg und Hungersnot bewahrt hast!

Oder eine andere Dankes-Kette:
* Danke für das Mittagessen.
Danke für die Hände, durch die es bis jetzt gegangen ist.
Danke fürs Service-Personal und für die Küche.
Danke für alle Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten für unser tägliches Brot.
Danke, dass wir in einem fruchtbaren und regenreichen Land leben. Danke, Gott, dass Du Himmel und Erde geschaffen hast und es gut mit uns meinst!

Das schöne an solchen Dank-Ketten ist: in ihrem Anfang landen wir immer irgendwie automatisch bei  … Gott, und das ist auch gut so:
Ich weiß keinen besseren als unseren himmlischen Vater. Er ist der Alles-Versteher, der Aller-Freund, der Aller-Großzügigste und der Aller-Mitteilsamste.
In Amsterdam – und in Ludwigsburg.
Amen

Wir bitten Dich nach altem Brauch;
Herr, kehre bei uns ein,
und lass beim Brot des Tages auch
das Brot des Lebens sein!
Amen