Andacht am 20.02.2011, Günter Thumm

Kuchen für einen vergessenen Freund

Das Mehl in der Knetschüssel wartete auf weitere Zutaten: Eier, Butter, Milch, Zucker, Backpulver, eine Prise Salz. Das Ganze gut durchmischen, durchrühren und einfüllen in die gefettete Ringform.

Ich hatte mir vorgenommen, einem alten Freund einen Kuchen zu backen, denn er hatte heute Geburtstag.  Wir hatten uns aus den Augen verloren, als er damals wegzog und ich wusste seine neue Adresse nicht. Neulich, mehr aus Zufall oder war es doch kein Zufall? - blätterte ich im Telefonbuch und fand seine Telefonnummer mit Adresse.
„Nein“, dachte ich mir, „ich rufe nicht an, um meinen Besuch anzukündigen.“ Es sollte eine Überraschung sein; ich - mit dem Geburtstagskuchen. Wir könnten zusammen ein Tässchen Kaffee dazu trinken und etwas plaudern. Also platzierte ich den fertigen Kuchen, der übrigens herrlich duftete, auf einer Kuchenplatte und befestigte in der Mitte der Öffnung eine Kerze.

Nach 20 Minuten Autofahrt kam ich bei der Adresse, die im Telefonbuch stand an. Es stimmte, der Namen stand auf dem Klingelschild und so klingelte ich. Die Schwester meines Freundes machte die Tür auf und ich streckte ihr erfreut den Kuchen entgegen. „Für Max, er hat doch heute Geburtstag und ich wollte ihn besuchen“, sagte ich. Die Schwester bat mich herein,  schloss hinter mir die Tür und sagte dann: „Max ist...“, ihre Stimme klang stockend und traurig,... „gestern Abend gestorben, überraschend, ganz unerwartet - Plötzlicher Herztod.“



„Wenn Sie wollen, aber nur, wenn es Ihnen nichts ausmacht - können Sie ihn sehen - er ist noch hier in der Wohnung - sie haben ihn noch nicht abgeholt, die Leute vom Bestattungsinstitut. Kommen Sie - hier im Zimmer.“ Sie schob mich, sanft am Arm führend dort hin. Ich betrat einen abgedunkelten Raum.
Da lag nun Max mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen auf der Couch, zwei Kerzen brannten als einzige Lichtquelle neben ihm.

Ich stellte meinen Kuchen auf das Schränkchen an der Wand und versuchte etwas zu sagen, nicht viel - nur: „Lieber Max...“, ich stotterte..., „leider - bin -  ich - etwas zu spät gekommen.“

Zwei Tage danach, nahm ich die Traueranzeige aus dem Briefkasten. Ich öffnete sie und las: „Ganz unerwartet, viel zu früh, für uns fassungslos, einen Tag vor seinem 62. Geburtstag ist Max von uns gegangen.“


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Wenn wir versuchen unseren ganzen Mut zusammenzunehmen, den längst fälligen Besuch machen, die versöhnenden Worte sprechen oder um Verzeihung bitten, -
dann ist es vielleicht noch  n i c h t  zu spät!


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Ich wünsche Ihnen interessante Begegnungen, gute Gespräche und einen schönen Sonntag!

 

Im Februar 2011
Günter Thumm
Ev. Kirchengemeinde Tamm