Andacht am 12.02.2013, Diakonin Ruth Dittus

Liebe Gäste, liebe Mitarbeitende,

heute ist Fasnet - letzter Tag der Narren- und Maskenzeit. Ich habe mir auch eine Maske aufgesetzt.
Nun, es ist ein Spiel. Nicht nur Kinder haben Freude an der Verkleidung,  Freude in  andere Rollen zu schlüpfen.
Auch für mich ist es reizvoll, mit der Venezianischen Maske durch die Reihen zu gehen und nicht erkannt zu werden. Ich darf aber auch niemandem zu nahe kommen, denn meine Augen könnten mich verraten.
Ich vermute mal, dass diejenigen, die mich kennen, mich an meiner Stimme erkannt haben. Nicht umsonst schwirren durch die dunklen Gassen Venedigs die Maskenträger schweigend und legen den Zeigefinger an den Mund. Die Identität der Masken soll geheimnisvoll bleiben.

Es geht relativ schnell, die äußerliche Maske und das Kostüm abzulegen. So, wie ich es gerade getan habe.
Mit den unsichtbaren Masken, die wir Menschen manchmal tragen, geht das nicht so einfach.
Sie aufzusetzen hat Folgen, sie können nämlich in der zwischenmenschlichen Auseinandersetzung zu Unverständnis oder Missverständnissen bzw. zu falschen Rückschlüssen führen.
Innere Masken werden aufgesetzt um sich zu schützen, nicht erkannt zu werden, nicht angreifbar zu sein.
Menschen meinen mit einer Maske unsichtbar, unergründbar füreinander zu sein. Pokerface nennen das die Spieler.
Manche mögen Angst haben, sich zu zeigen, wie sie wirklich sind, weil sie Ablehnung fürchten, manche verstecken ihre Gefühle hinter Konventionen, weil sie Sorge haben, dass sie die Kontrolle, oder ihre Fassung verlieren könnten.
Dazu eine kleine Begebenheit:

Ich begrüße eine befreundete ältere Frau freundlich lächelnd. Sie schaut mich an und sagt: "Gell, heute geht es Ihnen nicht so gut. Ihr Mund lächelt, aber Ihre Augen nicht."
Ja, ich kenne auch Situationen, wo ich mein Inneres nicht nach außen kehren will. Ich nehme dann meine professionelle Rolle als Schutzschild ein und vergesse dabei, dass liebevolle Augen meine Wirklichkeit auch durch die Tarnung  sehen.
Die Augen gelten als Spiegel der Seele, sie spiegeln unsere echten Emotionen wider. Da brauchen wir einander nichts vorzumachen. Und in meinem Beispiel führte der freundlich zugewandte Blick meines Gegenübers zu Verstehen und Klärung und zu einer schönen Begegnung auf Augenhöhe.

Hier in der Vesperkirche kommen ganz unterschiedliche Menschen zusammen,
aus unterschiedlichen Situationen und mit unterschiedlichen Erfahrungen:
Arme und Vermögende, Erwachsene und Kinder, Männer und Frauen, Gläubige und  Nichtgläubige.  Möglicherweise braucht der eine oder die andere auch eine Schutzmaske?
Wie kommen wir zusammen? Ich glaube uns verbindet, dass wir letztendlich alle bedürftig sind:  Wir hungern nach Gerechtigkeit, brauchen Wertschätzung, sehnen uns nach Gemeinschaft, nach Wärme, nach Geborgenheit und nach Liebe. Ich glaube, sich das einzugestehen, ist ein erster Schritt aufeinander zu.
Die Vesperkirche bietet einen Rahmen, in dem Gemeinschaft gelebt werden kann. Unter diesem Kirchendach kann darüber geredet werden, wenn die Not in uns brennt.
Hier können wir Nähe riskieren, können uns zu erkennen geben. Dadurch  wird eine Begegnung auf Augenhöhe möglich.
Ich möchte Sie einladen, genau hinzuschauen, den Menschen hinter der Tarnung zu sehen.
Darüber hinaus gibt es jemand, der hinter unsere Masken sieht - seinem liebevollen Blick entgeht nichts. Gott kennt uns, wie wir wirklich sind. Vor ihm können wir uns nicht verstecken - Gott versteht ja unsere Gedanken von ferne. Gott sei Dank!