Abschlußgottesdienst am 04.03.2012, Dekan Winfried Speck

Predigt des Abschlußgottesdienstes

Lied

Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott, nach dir, dich zu sehn, dir nah zu sein. Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück…


Predigt

Ist das so, liebe Anwesende?
Verbindet uns dies? So verschieden wir sind, so verschieden unsere Gesichter sind, unsere Lebensgeschichten, unsere Erfahrungen, unser Umfeld, unsere Berufe, unsere Einstellung zum Leben, zum Glauben, unsere Gene? Verbindet uns dies hier und jetzt: Ein Sehnen, tief in uns, ein Durst nach Glück?

Es ist schon immer wieder neu eine merkwürdige Erfahrung , wenn man durch die Türen dieser Kirche eingetreten ist  während dieser drei Wochen und dieser Raum sich geöffnet hat… es ist anders gewesen hier.
Ja, das ist schon eine merkwürdig schöne, berührende Erfahrung:  Es geht doch:
Menschen können  gut miteinander umgehen, aufmerksam, freundlich, entspannt, zurückhaltend, geduldig, wertschätzend. Doch schon etwas weniger raunzig,  bruddelnd und motzend und voller Begehrlichkeiten als sonst.

Ein Sehnen, ein Durst nach Glück – bei all denen, die diese Tage die Friedensvesperkirche, die Vesperfriedenskirche besucht haben, als Essensgäste, als Mitarbeitende, als Verantwortliche, bei den kulturellen, den politischen Veranstaltungen,  bei den Gottesdiensten, auch heute?

Ach, wir suchen doch noch etwas ganz anderes als das Glück neuer schicker Kleider, eines Autos, eines Smartphones... Wir erwarten doch noch was anderes als paradiesische Zustände in Urlaubswochen oder nach Börsenmanövern, wir suchen  mehr als Genuss und als Wohlstand.
Da wohnt ein Sehnen tief uns, nach Glück, nach einem großen, tiefen Gehaltensein, nach einer überwältigenden Erfahrung, dass das Leben einen Sinn hat, dass es schön ist, dass wir so leben können, dass andere auch leben können, mit uns, neben uns und nach uns. dass wir glauben können, dass es gut wird mit uns und all den anderen, die leben, gelebt haben und leben werden.
Da wohnt ein Sehnen tief uns, ein Durst nach Glück, nach ganz, ganz großen Dingen: nach Heil, nach Ganzwerden  - und dann kann es sein, dass wir darüber die kleinen, die alltäglichen Erfahrungen von Glück leicht aus den Augen verlieren.
Glückssucher waren deshalb unterwegs hier die letzten Tage und Wochen und sie haben nicht vergeblich gesucht, sie sind fündig geworden.

II: Wir hören:  Glück in der Vesperkirche, das ist für mich...

Ein Stück hausgebackener Käsekuchen, so wie ihn meine Oma immer gemacht hat.

Das Gefühl, gebraucht zu werden, das ist für mich das Glück in der Vesperkirche.

Viele, viele strahlende Gesichter, das macht mich glücklich.

Endlich mal wieder menschliches Miteinander zu erleben, ein freundliches Wort hören und ein aufmunterndes Lächeln bekommen.

Es ist ein Glück in der Vesperkirche seine Freizeit sinnvoll gestalten zu können.

Das Essen und alles was sonst hier noch angeboten wird! Das ist großartig und macht mich glücklich.
Die tollen Menschen, mit denen man hier zusammenarbeitet, das ist das Glück in der Vesperkirche für mich.

Es macht mich glücklich, in der Vesperkirche auf Menschen zu treffen, mit denen man sich so gut austauschen kann.

Es ist eine so große Freude, dass hier mit allen geteilt wird. Das Essen, die Zeit, das Miteinander.

Es ist ein Glück, dass die Kirchengemeinde ihre Kirche für die Vesperkirche öffnet.

Es ist ein Glück, dass in der Vesperkirche es die Möglichkeit gibt mal wieder richtig schön Kaffeetrinken zu können. Das kann ich mir sonst nicht leisten.

Ich hätte es nicht gedacht, dass so etwas möglich ist… dass Menschen aus ganz unterschiedlichen Lebenswelten sich hier treffen und die Kirche so tatsächlich zu einem Raum der Begegnung wird.

Die Kirche so zu erleben, so offen, lebendig… das macht mich richtig glücklich.
Das Wort zur Mitte des Tages ist für mich der Höhepunkt. Die Gedanken geben Kraft… und machen manchmal richtig glücklich.

Dass das Miteinander so klappt, das ist Glück.

Ich bin glücklich, weil auch für die Kinder eine tolle Spielecke da ist.

Das ist Glück: Einfach mit Leuten zusammen sitzen und über Gott und die Welt reden.


III.
Momente, Augen-Blicke voller Glück aus den letzten Tagen…
Und wie wird  das morgen wieder sein, Montag morgen, wenn die Woche vor einem steht wie ein großer Berg,  oder Dienstagnachmittag im Büro oder am Donnerstagabend zwischen Sofa und Fernseher?
Schnell kommt auch alles Unglück mit, was alles nicht gelungen ist, wo wieder etwas schief läuft, wo jemand nicht genug gekriegt hat, wo bedrängt, verfolgt, gestorben wird.
Aber nein, wir wollen jetzt nicht lassen von diesem weiten Raum hier in dieser Kirche, der so viel Raum lässt für Menschen, für Leben, für Glück und wir lassen nicht ab von dem, der hier der Gastgeber ist. Er soll zu Wort kommen.

Selig sind, so beginnt im ersten Evangelium  die erste große Rede, die Jesus hält. Wir haben sie vorhin nachgesprochen.
Erste Worte sind bleibend wichtig. Diese auch. Am Anfang geht es ums Ganze.
Und natürlich kann man darin das große Ethos hören, mit dem auf Unglückszustände reagiert werden soll: Auf die Ungerechtigkeit, auf die Gewalt und den Hass in dieser Welt.

Aber diese Worte atmen einen anderen Geist. Es ist ein Text der Verheißung an diese Welt. Worte, die um das Un-Glück  wissen und dagegen das größte setzen, was Gott uns schenkt: Trost, Ermutigung, Verheißung.  
Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden. Selig die Sanftmütigen, sie werden das Erdreich besitzen. Selig, die hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit - sie sollen satt werden. Selig die  Barmherzigen – sie werden Barmherzigkeit erlangen. Die Friedfertigen - sie werden Gottes Kinder heißen.
Immer wieder, wie ein roter Faden: es wird nicht bleiben, wie es ist:  die Verhältnisse werden sich ändern. Es wird!  Es geht!

Selig sind…! Man kann auch sagen: Glücklich sind…  Das ist eine Zusage, die sich nicht an menschliche Vorgaben bindet.
Da ist Glück nichts, was wir uns selbst zusprechen und nichts, was wir durch unsere Aktivitäten erwerben.
Glück wird uns von Gott zugerechnet, geschenkt.
Das kann unsere Sicht, unsere Einstellung zum Leben ändern:  Das, was uns wichtig ist, woran unser Herz hängt, was uns unbedingt angeht.
 
Es sind Haltungen, die in dieser ersten Rede von Jesus beschrieben werden. Geistliche Armut, das Tragen und Ertragen von Leid, die Mitleidenschaft des Barmherzigen, die Kraft der Friedfertigen und der Durst, der unstillbare Durst nach einer gerechten Welt.
Selig seid ihr – und sein Gegenbild zu der unglückseligen Erfahrung von Leid und Schmerz und Vergeblichkeit und Verfolgung ist der Himmel: Euer ist das Himmelreich.
Dieses Reich, von dem Jesus spricht, ist mitten unter uns.

Ist das heute noch möglich? Ist es heute, nach allem, was wir wissen und erfahren von Un-Glück ,  noch möglich, so zu glauben, dass Menschen gesund werden oder satt, dass ihre Verwundungen an Leib und Seele geheilt werden?  Diese Frage kann nur rhetorisch sein. Natürlich ist es möglich!

Aber wer geht hin und glaubt daran, dass dieses Leben besser wird? Wer glaubt, gegen allen Anschein, im privaten, wie im öffentlichen, dass diese Welt sich verändert? Wer geht hin und glaubt, dass man selbst seinem Feind verzeihen kann? Wer geht hin und glaubt, dass auch ein Leben mit „weniger“ ein glückliches sein kann? Mit weniger Ansehen und weniger Reichtum. Mit weniger Eitelkeit und weniger Macht? Mit weniger Gesundheit gar, weniger Leistungskraft?
Wir glauben es. Selig seid ihr.

Mit dem Glauben an Jesus Christus verändern sich nicht nur Maßstäbe im eigenen Leben. Wenn viele sich von Jesus Christus begeistern lassen und sich miteinander auf den Weg machen, erhält die Welt ein  anderes Gesicht. Wir haben es erlebt! Wichtigkeiten werden neu gesetzt. Wesentliches, Sinnvolles geschieht.
Etwas davon haben wir wieder gesehen und erfahren und gespürt in diesen Tagen der Vesperkirche, wo sich so viele für andere eingesetzt haben. Sie sind vielleicht etwas müde dabei geworden sind. Doch nicht ärmer, eher reich. Glücklich vielleicht sogar.  
Und diese Erfahrung wollen wir mitnehmen in die Tage, die kommen, diese Haltung, dieses Miteinander für Leib und Seele, diese Ermutigung, diese Verheißung des Christus, dieses Glück…

Glück haben viele gesammelt in diesen Tagen. Und es wäre gut, wenn Sie das weiter tun. Mit der Vesperkirche hört das Glück nicht auf!

Kleine Glückserfahrungen zu sammeln - das ist nicht immer einfach. Nicht nur, weil es nicht nur glücklich zu geht im Leben. Auch weil es oft untergeht im Alltäglichen. Und wir schon auch, nicht nur als älter gewordene, ganz schön vergesslich sind. Wer sein Glück wahrnehmen will, der muss genau hinschauen – und sich erinnern.

Es gibt eine Hilfe. Wir geben Ihnen und uns eine Hilfe mit.  Drei Murmeln für jeden und jede heute.
Drei Murmeln, die passen in jede Hosen-, Jacken, Hand- und Schultasche – das Handy passt ja auch rein!
Drei Murmeln – immer dann, wenn mir Glück widerfährt an einem Tag nehme ich eine Murmel in die Hand und stecke sie in die andere Hosentasche. Oder lege sie auf den Schreibtisch, den Küchentisch. Und abends nehme ich sie noch einmal in den Blick. Und erinnere mich noch einmal und wieder an das Glück, das ich erlebt habe, diesen Tag. Na ja, und wenns nicht immer drei sind pro Tag, dann geschieht mir ein Glücksmoment vielleicht über Nacht noch … und wenns mal nur zwei sind oder eine Murmel, die bewegt wird oder jemand ganz und gar unglücklich ist und keine Hilfe da ist, dann, ja dann sind immer noch die Worte nah, die Jesus spricht, dieses ganz große Glück:
Wer auf das Wort Gottes merkt, der findet Glück und wohl dem, der sich auf Gott verlässt. (Sprüche 16,20)