Andacht am 18.02.2012, Jugendpfarrerin Kerstin Hackius und Konfirmanden

Liebe Gäste, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

schön, dass Sie heute alle hier sind. Wir, die Konfirmandinnen und Konfirmanden der Friedenskirche, haben uns heute Gedanken gemacht zu dem Satz: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“  Dieser Spruch stammt aus Matthäus 4,4. Dazu spielen wir Ihnen jetzt eine Geschichte vor, die das Thema noch einmal verdeutlicht. Unsere Geschichte ist auch bekannt unter der Überschrift „Die Rose“

(Eine Konfirmandin las den Text, die anderen stellten die Geschichte pantomimisch dar):

Die Rose 
Rainer Maria Rilke ging in der Zeit seines Pariser Aufenthaltes regelmäßig über einen Platz, an dem eine Bettlerin saß, die um Geld anhielt. Ohne je aufzublicken, ohne  ein Zeichen des Bittens oder Dankens zu äußern, saß die Frau immer am gleichen Ort. Rilke gab nie etwas, seine französische Begleiterin warf häufig ein Geldstück hin.
Eines Tages fragte die Französin verwundert, warum er nichts gebe. Rilke antwortete: „Wir müssten  ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand.“
Wenige Tage später brachte Rilke eine eben aufgeblühte weiße Rose mit, legte sie in die offene, abgezehrte Hand der Bettlerin und wollte weitergehen. Da geschah das Unerwartete: Die Bettlerin blickte auf, sah den Geber, erhob sich mühsam von der Erde, tastete nach der Hand des fremden Mannes, küsste sie und ging mit der Rose davon.
Eine Woche lang war die Alte verschwunden; der Platz, an dem sie vorher gebettelt hatte, blieb leer. Nach acht Tagen saß sie plötzlich wieder wie früher an der gewohnten Stelle.
Sie war stumm wie damals, wiederum nur ihre Bedürftigkeit zeigend durch die ausgestreckte Hand. „Aber wovon hat sie denn in all den Tagen gelebt?“ fragte die Französin. Rilke antwortete: „Von der Rose…“
(Nach Josef Bill in: „Schenk dir Zeit“, epb, Karlsruhe 1999)

Für uns könnte das bedeuten:
Wenn wir hier in der Vesperkirche sind, teilen wir nicht nur unser Essen und einen Tisch miteinander, sondern dann passiert, was auch folgender Spruch aussagt: „Wer sein Brot teilt, teilt mehr als sein Brot.“ Das heißt: wenn wir etwas mit jemandem teilen, zeigen wir ihm auch, dass er wichtig für uns ist. Wir leben eben nicht „vom Brot allein“, sondern wir brauchen auch das Gespräch mit anderen.
So wie wir  heute hier versammelt sind, sind wir viele verschiedene Leute. Die meisten werden sich gar nicht kennen. Trotzdem hoffe ich  aber, dass Sie an Ihren Tischen nicht nur „das Brot“ bzw. das Essen teilen, sondern dass Sie auch miteinander ins Gespräch kommen. Denn wie es gerade schon ausgeführt wurde: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Wir brauchen auch den Austausch mit anderen, die Kommunikation untereinander. Für manche wirken diese Gespräche dann vielleicht wie die Rose bei der Bettlerin in unserer Geschichte. Wie etwas, das nachklingt und uns etwas zum Leben gibt. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen weiterhin guten Appetit und schöne Gespräche!

Gestaltet von den Konfirmanden/innen Clara Frey, Leah Escher, Svenja Harders, Philipp Striffler und  Jugendpfarrerin Kerstin Hackius