Andacht am 22.02.2012, Dekan Oliver Merkelbach

Liebe Vesperkirchengemeinde,

mit dem Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit, die österliche Bußzeit. In den Gottesdiensten der katholischen Kirche werden die Gläubigen heute mit dem Aschekreuz bestreut. Woher kommt diese Tradition, die dem heutigen Tag seinen Namen gibt? Und welche Bedeutung kommt dieser Asche zu?

In Gallien wurden die öffentlichen Büßer zu Beginn der Fastenzeit in Erinnerung an die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies aus der Kirche vertrieben. Sie mussten ein Bußgewand anlegen und wurden mit Asche bestreut. Vermutlich aus Solidarität mit den Büßern beteiligten sich mehr und mehr auch die anderen Gläubigen an diesem Aschenritus. Und als im 10. Jahrhundert die Einrichtung der öffentlichen Kirchenbuße verkümmerte und schließlich ganz verloren ging, blieb jener Brauch erhalten, den wir bis heute kennen: das Aschekreuz, das als Zeichen der Buße und Umkehr am Aschermittwoch aufs Haupt gestreut wird. Dazu die Worte: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist, und zum Staub kehrst du zurück.“

Ein eindrückliches Symbol, dieses Aschekreuz. Auf den ersten Blick wird mit Asche ja eher Negatives in Verbindung gebracht. „In Sack und Asche gehen“ – wer tut das schon gerne. Und jene öffentlichen Bußrituale aus frühchristlicher Zeit – sind sie nicht, mit Recht, schon lange überwunden? Asche ist ein Symbol der Vergänglichkeit und des Todes. Sie ist das, was oftmals als Abfall übrig bleibt. Sie macht schmutzig und erinnert in ihrer schwarzen Farbe an Trauer. Gibt es nicht genug traurige Dinge, als dass man an solche noch extra erinnert werden müsste? Und dann der Spruch: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist, und zum Staub kehrst du zurück.“ Soll einem hier direkt im Anschluss an die Fasnetzeit die Lebensfreude genommen und bewusst ein schlechtes Gewissen eingeredet werden?

Würde man allein diese dunklen Aspekte dieses Aschesymbols betrachten, so könnte dieser Eindruck entstehen. Der Asche kommen jedoch noch andere Bedeutungen zu, Bedeutungen, die eher mit positiven Gedanken in Verbindung gebracht werden können:
Asche dient seit jeher für Reinigungsriten. Wenn etwas verbrennt, dann bleibt die Asche als ein gereinigter Rückstand übrig.
Asche diente als Scheuermittel und bewahrt noch heute auf vereisten Wegen vor dem Sturz.
In der Landwirtschaft wurde Asche bis ins letzte Jahrhundert hinein als wertvolles Düngemittel verwandt.
Und in der verbreiteten Redewendung „sich wie ein Phönix aus der Asche erheben“ wird die Asche gar zu einem Symbol der Auferstehung: so wie der sagenumwobene Vogel Phönix sich in regelmäßigen Abständen selbst verbrennt, um dann verjüngt aus der Asche zu entsteigen, so erhebt sich Christus als der Auferstandene nach drei Tagen aus dem Grab.

Beide Seiten sind in ihrer symbolischen Bedeutung wichtig. Auf der einen Seite die Vergänglichkeit, der Tod und das Absterben, auf der anderen Seite die Reinigung, die Düngung (die Förderung neuen Wachstums) und die Auferstehung. Beide Seiten des einen Symbols bedingen sich gegenseitig. Sie gehören zu einem ganzen, zu einem ganzheitlichen Leben hinzu. Und in der heute beginnenden Fastenzeit sind wir aufgefordert, unser Leben als Ganzes in den Blick zu nehmen. Ehrlich und kritisch.

Wenn wir uns wieder einmal neu der Vergänglichkeit unseres Lebens bewusst werden, so soll dies nicht in die Depression und Melancholie führen, sondern hin zu einem neuen Bewusstsein, wie wertvoll und wie kostbar jeder Tag unseres Lebens ist. Die uns von Gott geschenkten Jahre, die Zeit, die uns zugedacht ist, sie ist zu wertvoll, um besinnungslos vertan zu werden. Jeder Augenblick ist kostbar und fordert uns heraus, unserem Leben eine sinnvolle, lebens- und liebenswerte Gestalt zu geben. Wenn die Asche uns daran erinnert, dass unser Leben begrenzt ist, so soll uns dies helfen, unsere Tage wirklich zu leben.

Aus diesem Gedanken heraus sind wir aufgerufen, auch all die positiven Aspekte der Asche in unser Leben hinein fruchtbar werden zu lassen:
Die Reinigung: Befreien wir uns von all dem, was uns hindert, ein erfülltes und wirklich zufriedenes Leben zu führen;
Die Düngung: Fördern wir das Gute, das uns weiterbringt und uns hilft, Gott in unserem Denken, Fühlen und Handeln nachzufolgen;
Die Auferstehung: Fügen wir das Zerbrochene in unserem Leben neu zusammen, beleben wir das Todgeglaubte und fangen wir dort an, wo wir schuldig geworden sind.

Kehren wir um und besinnen wir uns. Dann werden wir Ostern wirklich feiern als das Fest der Auferstehung hin zu neuem Leben.
„Bedenke Mensch, dass du Staub bist, und zum Staub kehrst du zurück.“