Andacht am 15.02.2013, Dekan Oliver Merkelbach

Liebe Gäste, liebe Mitarbeitende,

mit dem Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit, die Vorbereitungszeit auf das Osterfest. Gott möchte uns einen neuen Anfang schenken. Wir sollen frei werden von all dem, was uns hindert, ihm nahe zu sein. Damit uns dies gelingen kann, ist es wichtig, unser Leben neu in den Blick zu nehmen, und zwar ganz - in all seiner Breite, in seiner gesamten Wirklichkeit.

Wenn wir ehrlich unser Leben in den Blick nehmen, dann stellen wir fest, dass es da viel Schönes und Erfüllendes gibt, Dinge, die uns Freude bereiten.
Dann gibt es da aber auch manche dunkle Flecken, Dinge, die wir nicht gerne sehen, wo wir uns selbst und auch anderen gerne etwas vormachen.

Die Fastenzeit gibt uns wie kaum eine andere Zeit im Jahresverlauf die Gelegenheit, unser Leben so zu sehen, wie es wirklich ist. Die folgenden 4 Gedanken und Schritte sollen uns helfen, diesen Weg auf Ostern hin ehrlich und aufrichtig zu gestalten:


1. Fastenzeit heißt: Mut zur Wahrheit

Es braucht schon Mut, die Dinge und damit uns selbst so zu sehen, wie sie wirklich sind. Es kostet Überwindung und Kraft, sich seiner ganzen Lebensrealität zu stellen, den schönen und den dunklen Seiten. Wer sich auf einen solchen Weg einlässt, der wird erfahren, dass dies kein einfacher Weg ist. Denn mit Fastenzeit ist nicht nur der Verzicht auf das eine oder andere Glas Bier, auf Schokolade oder Fleisch gemeint.

Fastenzeit heißt: sich mit seiner gesamten persönlichen Lebenswirklichkeit auseinander zu setzen. Es geht um die eigene Lebensgeschichte mit ihren Erfolgen und mit ihrem Versagen. Es geht um das ehrliche Wahrnehmen seiner Stärken und Schwächen... und es geht darum, diese anzunehmen. Alles andere wäre nur die halbe Wahrheit. Darauf folgt:


2. Fastenzeit heißt: Entschlossenheit zur Umkehr

Wer den ersten Schritt gegangen ist, der spürt, dass das eigene Leben nicht so bleiben kann wie es ist. Deutlich erkennen wir manche Halbheiten, manche schiefen Kompromisse und Lebenslügen.

Aufkommende Unzufriedenheit ist ein sicheres Zeichen dafür, dass sich bei uns etwas in Bewegung gesetzt hat. Und diese Bewegung und die damit verbundene Unruhe ist wichtig. Nur so machen wir uns auf, kehren wir um, drängt es uns, das zu tun, was im Rahmen unserer Möglichkeiten getan werden kann.


3. Fastenzeit heißt: Konkrete Schritte

Wir Menschen sind schwach. Alles auf einen Schlag verändern, das gelingt uns nicht. Sinnvoller ist es, wenn wir uns für die vor uns liegenden 40 Tage einen konkreten Schritt vornehmen. Und diesen dann konsequent gehen.

Beispiele gibt es genügend:
- Wer zum Beispiel um seine Abhängigkeiten und Süchte weiß, wer sich der Wahrheit gestellt hat und erkennt, dass er dies oder jenes unbedingt und notwendig zum Leben braucht, der wird sich nicht länger mit diesem Zustand abfinden wollen. Wer seine Abhängigkeit erkannt hat, der sehnt sich nach Freiheit.

- Oder: wie oft legt man sich selbst oder andere auf ein bestimmtes starres Bild fest. Es fehlt an der Bereitschaft, seine Meinung zu ändern. Wer diese Verzerrung der Wirklichkeit erkannt hat, der wird sich und anderen Freiheit und Entwicklungsmöglichkeiten einräumen.

- Oder: Wem klar geworden ist, dass der eigene Wohlstand in hohem Maße Geschenk ist, der wird nach Wegen suchen, wie anderen daran Anteil gegeben werden kann.

Einen konkreten Schritt, diesen konsequent gegangen. Dies schenkt uns selbst und anderen Freiheit – und ermöglicht ein heileres Leben.


4. Fastenzeit heißt: Die Spur zu Gott finden

Wo immer wir uns in Bewegung setzen und Abschied nehmen von halben Wahrheiten und Dingen, die uns gefangen halten, werden wir offen für das Heil Gottes. Gott weiß längst, wie es um uns steht, ihm können wir nichts vormachen. Er sagt uns auch in diesem Jahr erneut seine Unterstützung zu. Mit seiner Begleitung können wir es wagen, den Weg der Wahrheit zu gehen. Wir dürfen dies tun im Vertrauen, uns selbst und damit auch Gott zu finden.